Geografische Angaben (g.A.) für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse

07 Oktober, 2022
GIs for crafts and industrial products
Schutz Ihrer Ideen
Umfassender Artikel über geografische Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse.

Wenn man an Perpignan (Frankreich) denkt, fallen einem sofort die wunderschönen Schmuckstücke ein, die das Ergebnis einer langen Tradition von Spitzenleistungen sind. Und wenn man in Solingen (Deutschland) das berühmte Besteck sieht, das in den örtlichen Geschäften ausgestellt ist, wird einem schnell klar, dass diese Gegenstände jahrhundertealte Handwerkskunst verkörpern.

Was Sie vielleicht nicht wissen, ist, dass sowohl Garnet de Perpignan (Schmuck) als auch Schneidwaren aus Solingen (Besteck) wie andere handwerkliche und industrielle Erzeugnisse als geografische Angaben (g.A.).

Geografische Angaben sind eine besondere Art von geistigem Eigentum (IP), die den Namen von Erzeugnissen schützen, die einen bestimmten geografischen Ursprung haben und aufgrund dieses Ursprungsortes ein bestimmtes Ansehen oder bestimmte Eigenschaften besitzen. Die Verwendung des durch eine g.A. geschützten Namens ist den Erzeugern aus diesem Gebiet vorbehalten, die ein bestimmtes Erzeugnis nach bestimmten Regeln und Normen herstellen. Dies bedeutet zum Beispiel, dass ein Hersteller von Granatschmuck, der nicht in der Region Perpignan ansässig ist, den Namen "Garnet de Perpignan" nicht für seine Produkte verwenden darf. Höchstwahrscheinlich werden solche Produkte nicht nur nicht in Perpignan hergestellt, sondern auch nach anderen Regeln als die der Juweliere in Perpignan.

Wie handwerkliche und industrielle Erzeugnisse heute als g.A. geschützt werden

In Europa konzentrierte sich der Schutz von geografischen Angaben zunächst auf landwirtschaftliche Erzeugnisse, einschließlich Lebensmittel, Weine und Spirituosen. Die Europäische Union ("EU") verfügt über umfassende Rechtsvorschriften zum Schutz von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln, Weinen und Spirituosen. Namen wie Hånnlamb (Lammfleisch aus der Region Gotland in Schweden) und Beurre d'Ardenne (Butter aus den Ardennen in Belgien) sind Beispiele für eingetragene landwirtschaftliche g.A. in der EU.

Was passiert aber, wenn es sich bei den zu schützenden Namen um die von handwerklichen und industriellen Erzeugnissen handelt? Gegenwärtig können die Namen von Erzeugnissen wie Messern und Bestecken, Schmuck, Möbeln, Porzellan und Keramik sowie Spitzen in den einzelnen EU-Ländern als g. A. gemäß den nationalen Rechtsvorschriften geschützt werden.

Nachdem ein Gericht der Stadt Laguiole das Recht verweigert hatte, die Eintragung der Marke "LAGUIOLE" zu verhindern, verabschiedete Frankreich 2014 ein Gesetz, das den Schutz von handwerklichen und industriellen Erzeugnissen durch ein vom nationalen Amt für geistiges Eigentum (INPI) verwaltetes Akkreditierungsverfahren ermöglicht. Infolge dieses Gesetzes wurden in Frankreich bereits zahlreiche handwerkliche und industrielle g.A. eingetragen, die ersten davon für Siège de Liffol (Stühle, eingetragen 2016), Granit de Bretagne (Granit, eingetragen 2017) und Limoges Porcelain (Porzellan, ebenfalls eingetragen 2017).

Was passiert in der EU?

Während andere Länder über ähnliche Systeme wie das französische verfügen, variiert der verfügbare Schutz innerhalb der EU erheblich, und es gibt derzeit keinen Rechtsrahmen, der speziell handwerkliche und industrielle geografische Angaben auf EU-Ebene schützt.
Seit 2011 prüft die Europäische Kommission die Möglichkeit, den Schutz geografischer Angaben auf landwirtschaftliche, handwerkliche und industrielle Erzeugnisse auszuweiten. Die Diskussion um ein EU-System für handwerkliche und industrielle g.A. hat sich in den letzten Jahren intensiviert. Dies liegt auch daran, dass geografische Angaben nicht nur "Rechte" sind. Sie sind Instrumente, die sicherstellen, dass die lokale Produktion wirtschaftlich lebensfähig ist. Diese Rechte stärken auch die Verbindung zwischen einem Erzeugnis und anderen lokalen Aktivitäten wie der Förderung von kulturellen Aktivitäten, Tourismus und Kunst.

Im Jahr 2020 hat eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie gezeigt, dass der Schutz handwerklicher und industrieller g.A. sowohl für die Verbraucher als auch für die Erzeuger insgesamt von Vorteil ist und gleichzeitig die regionale Entwicklung fördert. Es liegt auf der Hand, dass geografische Angaben Nachhaltigkeitsziele unterstützen und zum weiteren Schutz des kulturellen Erbes beitragen können. In diesem Sinne könnten sie auch zur Verwirklichung der Ziele der Kreislaufwirtschaft beitragen, die im Mittelpunkt mehrerer EU-Politiken stehen.

Die Zukunft

Umfragen zeigen, dass sich die Verbraucher in Europa, auch als Folge der COVID-19-Pandemie, zunehmend mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen und dass es wichtig ist, sowohl "grünere" Entscheidungen zu treffen als auch lokale Unternehmen zu unterstützen. Der Schutz handwerklicher und industrieller g.A. kann in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Darüber hinaus kann die Vielfalt der Ansätze in den verschiedenen EU-Ländern zu Reibungen im Funktionieren des EU-Binnenmarktes führen. Beide Aspekte können eine noch intensivere Diskussion über die Einführung eines EU-Rahmens zum Schutz nicht nur landwirtschaftlicher, sondern auch handwerklicher und industrieller Erzeugnisse als g.A.unterstützen.

Im Jahr 2020 hat die Europäische Kommission angekündigt, dass sie Rechtsvorschriften zur Einführung eines EU-weiten Systems zum Schutz von geografisch gebundenen handwerklichen und industriellen Erzeugnissen vorschlagen könnte. Ein Legislativvorschlag wurde kürzlich vorgestellt.

Wie wird also die Zukunft der handwerklichen und industriellen Produkte aussehen? Wahrscheinlich wird es ein stärkeres Engagement der EU und einen spezifischen Rechtsrahmen geben, um sie als g.A. auf EU-Ebene zu schützen. Bleiben Sie dran!

Eleonora Rosati ist eine italienische Rechtsanwältin mit Erfahrung in den Bereichen Urheberrecht, Markenrecht, Moderecht und Internetrecht. Dr. Eleonora Rosati ist ordentliche Professorin für Recht des geistigen Eigentums (IP), Direktorin des Instituts für geistiges Eigentum und Marktrecht (IFIM) und Co-Direktorin des LLM in europäischem IP-Recht an der Universität Stockholm. Sie ist außerdem Of Counsel bei Bird & Bird und Autorin mehrerer Artikel und Bücher zu Fragen des geistigen Eigentums.

Dieser Artikel wurde erstmals in der Septemberausgabe von Alicante News veröffentlicht.